Durchhalten

Die Bundesregierung hat beschlossen, die Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus mit ein paar wenigen Lockerungen mindestens bis zum 03. Mai aufrecht zu erhalten.

Habt Ihr Euch mehr erhofft? Seid Ihr enttäuscht?

Es ist ein bißchen wie unter Wasser zu schwimmen.
Man hat sich vorgenommen, 25 Meter weit zu tauchen, aber bereits nach der Hälfte wird die Luft knapp. Der Körper will nach oben, während der Kopf sich einredet, ein paar Meter seien noch möglich.
Und so befindet man sich in einem Grenzzustand, in dem der Körper sich nach Sauerstoff sehnt, während der Kopf weiß, dass dieses Verlangen noch eine Weile ausgesetzt werden kann.


Wir erleben die Rückkehr der Vernunft, zumindest in unserem Land. Keine Politdemagogie, kein Lügenpressegeschrei, keinen Vorrang der Gefühle. Die Bekämpfung von Corona ist Kopfsache.
Die Vernunft betreibt ein nüchternes Geschäft und ist schlicht unempfindlich gegenüber unseren Wünschen. Sie tut, was notwendig ist.
Alles andere hilft nicht (s. den rotgesichtigsten Präsidenten aller Zeiten).

Wir müssen nicht alle unsere Träume aufgeben (dann gäben wir uns selbst auf). Aber vielleicht werden wir am Ende ein wenig reifer sein und behutsamer umgehen mit dem, was uns geschenkt ist. Das Leben bleibt ein großes Verspechen. Es liegt an uns, es auch einzulösen.  

Maskentanz

Ich muss mich nicht aus dem Haus bewegen. Die Welt flaniert gerade an meinem Fenster vorbei.
Dieses Geschwisterpaar zum Beispiel. Er mag sieben, sie neun Jahr alt sein. Sie halten sich an den Händen und hüpfen über den Weg. Beide tragen sie eine Maske, und sie bewegen sich mit einer Beschwingtheit, wie nur Kinder es können.
Ich beneide sie für ihre Leichtigkeit.

Gibt es ein besseres Widerstandsbild?

„Suddenly nothing happened!“

(Colin Hay, Waiting For My Real Life To Begin)

Und plötzlich geschieht nichts!

Du segelst auf deiner Liege durch diesen Tag, der alles, was nach Ereignisreichem aussieht, in eine andere Strömung schaufelt, weit an dir vorbei.

Während überall Geschichte tobt, Viren sich Kronen aufsetzen und zu den neuen Herrschern der Welt erklären, hat es dich in eine Lagune getrieben, in der das Wasser stillsteht und die Zeit allmählich verdunstet.

Auch das gibt es „in-diesen-dunklen-Zeiten“  (ein neues Mitglied im Phrasenkatalog), dass es einen in die Windstille verschlagen kann.

Der Kirschbaum blüht, und es sieht aus als läge Schnee auf seinen Zweigen. Du überlässt dich den Zufälligkeiten des Nachmittags: dem Flügelschlag eines Schwans, Kinderlachen, Fetzen eines Gesprächs, das kurz in der Luft schwebt und sich dann auflöst wie eine Seifenblase.
Vom nahen Kirchturm läutet die Glocke zur Todesstunde Jesu. Ihr Klang verteilt sich über die Gärten, ehe er untergeht im aufgeregten Gesumm, das den Kirschbaum erfüllt.

Du liest, schaust, hörst und verfolgst den rasend-langsamen Weg der Sonne über die Büsche.
Und während um dich herum alles in Ereignislosigkeit versinkt, stellst du mit einem Mal fest, dass drei Stunden an dir vorbeigeflogen sind.

Wohin eigentlich?

„Meine Zeit steht in deinen Händen,“ sagt der Beter im 31. Psalm, und es ist eine der wenigen Stellen in diesem Lied voller Beschwörungen, Ängste und Bedrohungen, in dem eine unerwartete Ruhe eintritt. Ein Augenblick der Gelassenheit, in dem sich nichts ereignet.

Du fühlst dich den Händen Gottes in diesem Moment sehr, sehr nahe.

Kleine Übertretungen

Vor mir geht ein Mann pfeifend über die Straße. Auf der anderen Seite trifft er eine Bekannte. „Du pfeifst?“ fragt sie.
„Corona kann mich mal“, sagt er und lacht.
„Das ist aber ein schönes Motto,“ sage ich.
„Ich bin nicht leichtsinnig,“ erwidert er, „aber ich will mich dem Ganzen auch nicht einfach ergeben.“

Sich nicht ergeben. Aus dem Schatten treten. Kleine Übertritte ins Hoffnungsvolle begehen. Leicht-sinnig werden, wenigstens für ein paar Augenblicke.

Es ist der wärmste Tag bislang. Die Kirschbaumknospen sind kurz vorm Aufspringen. Mancher und manchem geht dabei die Phantasie durch: in der Eilenriede, lese ich am Morgen, hat jemand Frühlingsgedichte in die Bäume gehängt.
Was für eine schöne Idee!

Macht es nach in Eurer Gegend. Es kann auch etwas anderes sein als ein Gedicht. Hängt in die Bäume, an die Straßenlaternen, was anderen Menschen Freude macht.

Die Spaßguerilla braucht Nachwuchs. Sie ist die einzige Armee, in die ich eintreten würde.

Videogruß aus dem Laju

Katrin aus dem Landesjugendpfarramt erlebt die Karwoche dieses Jahr im Homeoffice. Das Corona-Virus zwingt uns, neue Orte zu finden, um diese besonderen Tage zu erleben. Katrin erzählt von ihrem besonderen Ort. Den Karfreitag verbringt Katrin übrigens mit Kolleg*innen bei der Chatseelsorge.

Für alle, die Trost, Rat, Unterstützung brauchen oder jemanden, der einfach mal zuhört: www.chatseelsorge.de

Ein Traum

Ich habe von einem Brief geträumt, der an alle Aktiven in der Landeskirche ging, Berufliche wie Ehrenamtliche. Er lag in meinen Händen, so dass ich ihn klar erkennen und lesen konnte:

Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unserer Landeskirche!

Momentan arbeiten Sie alle unter schwierigen Bedingungen. Das, was Ihre Arbeit normalerweise ausmacht, muss im Augenblick entfallen: ein direkter Kontakt zu den Menschen. Das ist schmerzlich! Uns ist bewusst, wie herausfordernd das für Sie ist. Wir alle leiden unter dieser Situation.

Und doch haben Sie nicht aufgegeben. Sie haben alternative Wege gefunden, mit „Ihren“ Gruppen, Kreisen, Verbänden und Gemeinden in Kontakt zu treten. Sie haben neue Formate geschaffen, die dafür sorgen, dass auch in diesen Zeiten die Gute Nachricht nicht verstummt. Das ist bewunderungswürdig.

Sie alle sind es, die unsere Kirche am Leben erhalten, Tag für Tag. Ihr Einsatz ist unverzichtbar und ein großes Geschenk. Wir wissen, dass Sie alles geben. Wir vertrauen Ihnen voll und ganz und werden Sie unterstützen, wo wir nur können.
Wir müssen zusammenstehen, mehr denn je.

Und darum sagen wir aufrichtig danke –  danke für Ihr Engagement, Ihren Einsatz, Ihre Pflichtauffassung, Ihre Treue und Ihre Liebe zum Nächsten.
Wir alle sind Gottes Mitarbeiter, Gottes Ackerfeld und Gottes Bau. Es braucht jede und jeden von uns, daran mitzuwirken. Wie schön, dass Sie dabei sind.

gez. ….

In diesem Augenblick wachte ich auf. Die Schrift verschwamm und verschwand schließlich.  So kann ich leider nicht sagen, von wem dieser Brief stammt und ob überhaupt…
Aber manchmal geht ein Traum ja irgendwann auch in Erfüllung.
Wer weiß…
Und wenn – dann wäre es einfach ein schönes Zeichen.

Lebenslust

Die Sonne ist vor einigen Minuten untergegangen. Allmählich leeren sich die Wege. Ich wandere ins Abendrot hinein.  Über dem Fluss hängt Rauch. Jemand hat ein Feuer gemacht. Es brennt weit sichtbar auf der Wiese. Hinter mir steht der Mond, beinahe vollständig gerundet. Die ersten Sterne blinken auf.
Vom Westschnellweg dringt nur dünnes Rauschen. Der Verkehr hat sichtbar abgenommen.
Ich überquere die kleine Brücke. Unter ihr fließt die Leine, bewegt sich träge, übergossen von Mondlicht.

Eine Amsel singt, ein paar Gänse ziehen südwärts. Ihr Rufen hört sich für mich immer an wie die laut gewordene Sehnsucht und schlägt in mir eine besondere Seite an.
Die Dämmerung fällt nun rascher, noch einmal leuchtet der Himmel. Ich bin allein.
Und dann, mit einem mal, ich weiß nicht wie, setze ich mich in Bewegung und beginne zu laufen. Ich renne! Die Füße fliegen über den Schotter. Ich fühle mich wie zwölf, angetrieben von einer Welle aus Glück, die mich einfach forttreibt, in diesen stillen, schimmernden Abend hinein.

Ich laufe nicht lange, denn mir geht ziemlich schnell die Puste aus. Aber dieses Glücksgefühl! Es glüht noch, als ich zu Hause ankomme.     

Angst und Glauben

„Wie heißt es in der alten Geschichte? Die Angst klopft an die Tür, der Glauben geht, um zu öffnen; draußen steht niemand.“  (Claudio Magris, Die Welt en gros und en detail, S. 16)

Der Glauben hat kein Auge für die Angst, er kann sie zwar hören, aber er sieht sie nicht. Das, was ihre Aufmerksamkeit fesselt, nimmt er gar nicht wahr. Sein Blick ist immer aufs Leben gerichtet, auch wenn es an seine Grenzen kommt.
Und deshalb ist er in der Lage sich zu bewegen. Er ist fähig, Türen zu öffnen, während die Angst darauf wartet, eingelassen zu werden, unfähig, auch nur ein Hindernis selbst zu überwinden. Sie bleibt obdachlos, nicht weil der Glaube sie zurückweisen  würde, sondern weil sie für ihn schlicht unsichtbar ist.

Wie die Geschichte wohl ausginge, würde der Glauben an die Tür der Angst klopfen?

Passion fällt aus

Auf meinen Spaziergängen entdecke ich viel Österliches. In den Fenstern stehen Zweigen mit Ostereiern, und auch in den Gärten werden viele Büsche mit bunten Eiern aus Plastik verziert.

Es ist als ob Ostern vorgezogen und einfach verlängert würde.
Zunächst wollte ich eigentlich die Nase darüber rümpfen. Typisch Spaßgesellschaft, die sich aus allem flüchtet, was nicht lustig ist.
Inzwischen denke ich anders darüber!
Ostern als ein Wall gegen Mutlosigkeit, als Stimulierung der hellen Kräfte, damit wir geschwisterlich bleiben, mitfühlend, einander unterstützend.

Im Augenblick kann es ruhig an jedem Tag Ostern werden.

Ausdauerprobleme

Allmählich scheint der Mehrheit die Luft auszugehen. Das vorherrschende Thema in den Talkshows lautet: Wie lange noch?
Die Frage wundert mich. Schließlich ist deutlich gesagt worden: die Maßnahmen gelten bis zum 20. April, und dann sehen wir weiter.
Möglich, dass gar nicht so viele den Talkshows folgen, was ich ehrlich gesagt, ziemlich gut fände. Möglicherweise sind auch die Talkshow-Leute nicht auf der Höhe der Zeit, da sie ja am liebsten um sich selbst kreisen.

Durchhalteparolen sind sicher auch nicht der richtige Weg bei Leuten, denen eine Woche Stillstand vorkommen wie Jahre.
Was dann? Ich habe keine Patentrezept, aber ein Gedicht, auf das ich gestoßen bin.

Vielleicht

Wir werden uns nicht verirren
wir bleiben auf dem Weg

wir werden uns nicht verlieren
wir halten zusammen

Wir werden uns nicht aufgeben
wir bewahren den Mut

Vielleicht

Ein „Vielleicht“ ist nicht viel. Aber manchmal kann es der seidene Faden sein, an den man mehr hängen kann als man denkt.