Ich habe mich gut vorbereitet. Schon vor Wochen hatte ich in einem sozialen Projekt in Hannover Masken bestellt, deren Preis kostenlose Masken für andere mitfinanziert. Pünktlich vor der Maskenpflicht kam der dicke Brief.
Am Tag 2 der Maskenpflicht will ich morgens los. Erst noch etwas in der Stadt besorgen und dann ins Büro. Alles ist ungewohnt nach so viel Zeit des #stayathome.
Der Aufbruch morgens gerät etwas holperig. Prompt habe ich sie vergessen, meine Stoffmaske. Und nun? Ich steuere die nächste Apotheke an und kaufe mir eine Maske mit Filter. Ziemlich teuer. Aber so ausgestattet komme ich in die geplanten Geschäfte und durch den Tag. Gegen Abend scheint die Sonne so schön, dass ich nicht gleich in die U-Bahn steige, sondern beschließe, zu Fuß durch die Stadt zum Bahnhof zu gehen. Die Maske ist in meiner Tasche. Ich bin ja draußen unterwegs.
Die Eisdielen haben geöffnet. Soll ich oder soll ich nicht? Ich schaffe es noch, an der ersten vorbei zu gehen – die Schlange ist mir zu lang. Aber vor dem Bahnhof ist es so weit: Jetzt eine Kugel vom Lieblingseis. Als ich es in der Hand halte realisiere ich mein mitgekauftes Problem: Wie ich ja weiß, muss ich vom Stand weggehen, um das Eis zu essen. Ein großes Schild weist mich darauf hin.
Ich gehe los. In Richtung U-Bahnstation Hauptbahnhof. Mit dem Eis in der Hand durch den Bahnhof. Und nun? Es war mir noch nie so unangenehm, ein Eis zu essen. Um mich herum Menschen mit Masken im Gesicht. Ich esse mein Eis. Strecke die Zunge raus und lecke das köstlich süße kalte Sahnegemisch. Aber: Darf ich das eigentlich? Mir wird immer klarer, dass das eigentlich so nicht geht. Was symbolisiert das, was ich da gerade tue in diesen Zeiten? Immer unsicherer gehe ich zu U-Bahnstation. Schon tut sich die nächste Frage auf: Ob ich es schaffen werde, das Eis zu essen, bis die U-Bahn kommt? Das ist ja schon lange nicht erwünscht bzw. verboten: Eis essen in den Zügen der U-Bahn. Unten angekommen sehe ich eine andere Person, die in ihr Schnell-Mittag oder -Abendessen beißt und atme leicht auf. Ich bin nicht die Einzige. Früher war das ganz normal. Wie oft, habe auch ich schon den aufgestauten Hunger unterwegs in U-Bahn oder Zug gestillt und etwas getrunken oder gegessen! So richtig gut angefühlt hat sich das selten. Mit Maske geht das nicht. Mir wird klar: Ohne eigentlich auch nicht: Es fühlt sich nicht gut an.
Und ehrlich: Es hat auch mich schon richtig genervt, wenn es irgendwo im Bus, im Zug oder in der U-Bahn penetrant nach so einem Schnell-Futter gerochen hat. Mal ganz zu schweigen von klebenden Fußböden und anderen Spuren zuckerhaltiger Getränke, stinkenden Bierdosen, Krümeln, Essensresten und allem dazugehörige Müll. Nervt irgendwie. Jetzt weiß ich, was mich daran stört: Es hat etwas Respektloses vor den Mitreisenden. Die Grenzen des Innen und Außen verwischen. Essen hat auch etwas Intimes. Ist es gut, dass andere mir beim Essen zugucken müssen? Gehört das überall in den öffentlichen Raum und in die Bahn?
Maskenpflicht im ÖPNV – und ja, auch im Bahnhof – ist ein sinnvolles Lehrstück für Respekt. Vor mir selbst und anderen. In Zukunft nehme ich mir die Zeit und suche mir einen guten Ort zum Essen. Was ich zukünftig auf Reisen esse und trinke, werde ich mir nochmal genau überlegen. Das noch fremde Tragen von Masken kann uns einiges lehren: Unter anderem Respekt vor anderen und vor mir selbst.
Cornelia Dassler, Landesjugendpastorin