Bankrott

Ich weiß gar nicht, ob Ihr das Wort alle noch kennt. Bankrott bedeutet pleite, zahlungsunfähig, insolvent, ruiniert, ohne Piepen, mausearm.
Der Begriff stammt aus dem Italienischen: banca rotta = zerschlagener Tisch.
In der Renaissance haben die Geldwechsler in Italien ihre Dienste auf Tischen angeboten. Ging einem das Geld aus, wurde sein Tisch zerstört.

Vergangene Woche wurde der ethische Tisch der Europäischen Union zerstört.

Auf Lesbos ist das größte Flüchtlingslager Europas abgebrannt. Die Krokodilstränen waren groß, die Hilfsangebote sind erbärmlich.

Das reiche Europa sieht sich nicht in der Lage, 12000 Menschen eine Zukunft zu bieten.
Das demokratische Europa tut nichts, um die Opposition in Weißrussland zu unterstützen und den abgehalfterten Diktator Lukaschenko unter Druck zu setzen.
Das humane Europa duldet Autokraten wie Victor Orban aus Ungarn oder Jarosław  Kaczyński aus Polen in ihren Reihen, nicht zu sprechen von korrupten Staaten wie z.B. Bulgarien.
Das ökologische Europa ergeht sich in wolkigen Verbesserungsphantasien und verschiebt seine Ziele in eine unbestimmte Zukunft.

Die Flüchtlinge aus Moria werden nun gezwungen, in ein Zeltlager zu ziehen.
Die Zelte haben keinen Boden.
In wenigen Wochen beginnt die Regenzeit.
Sie werden sie dann in Pfützen liegen.
Menschen, zusammengedrängt auf wenig Raum. Und das in Corona-Zeiten!
Menschen, deren Makel darin besteht, dass es sie gibt.

 E.U.?
Einfach. Unerträglich!

Talente

Der Spruch war als Scherz gedacht:  „Ich dachte, du kannst nichts, aber du kannst ja gar nichts!“ Mein Kumpel lachte, weil mir gerade eine Schale Pommes aus der Hand gerutscht und auf die Erde geknallt war. Ich musste auch lachen. War ja auch zu blöd.
Und doch ging mir dieser Satz eine ganze Weile nach. Ich merke, das piekt richtig, diese Vorstellung, dass mich jemand für völlig unfähig halten könnte.
Natürlich weiß ich, dass ein solches Urteil schlicht falsch wäre, und doch frage ich mich: was kann ich eigentlich? Was kann ich gut? Was geht mir nicht so gut von der Hand? Welches Talent hat mir Gott in den Schoß gelegt, aber noch viel wichtiger: Weiß ich selbst davon und nutze ich dieses Talent?

Im Lukasevangelium lesen wir im 12. Kapitel:  „Wem viel gegeben ist, bei dem wird man viel suchen; und wem viel anvertraut ist, von dem wird man umso mehr fordern.“
Klingt nach noch mehr Druck, aber Druck von wem?
Am ehesten von mir selbst. Weil ich gut sein will in so vielen Dingen. Ich möchte mithalten können. Möchte gerne, dass mich alle mögen und viel von mir halten.
Davon redet die Bibel hier aber nicht. Es geht vielmehr um die Freude am Leben und Dankbarkeit für das, was uns in aller Begrenztheit ausmacht und einmalig sein lässt: Die Fähigkeit zu lieben und geliebt zu werden. Gutes zu tun. Verzeihen üben. Freundlichkeit erweisen. Gottes Wirken in unserem Leben sichtbar werden zu lassen. Seine Hände sein, die anpacken. Sein Ohr sein, dass zuhört. Über sich selbst auch mal lachen können. Fehlerfreundlich sein.
Das sind Talente, die wir großzügig vermehren sollten in dieser Welt. Nicht allein. Mit Gottes Hilfe, der uns zuzwinkert:

Ich dachte du kannst was, aber du kannst ja alles!

Klaas Grensemann, Kloster Bursfelde

Maskenüberraschungen

Jetzt sind die Fans des Aluhuts ja auch durch Hannover gestiefelt und haben gegen das Maskentragen protestiert. Laut neuesten Untersuchungen hat es keinen Sinn, diesen Leuten mit Fakten zu kommen. Das verfestigt nur ihre Ansicht („Dieser Ball ist eindeutig rund.“ „Unsinn, ich traue dem nicht. Ich fühle, er ist eckig.“). Also soll man ihnen Auslauf gewähren und ansonsten wie rohe Eier behandeln. Mehr geht nicht.

Allen anderen, die ihr Hirn noch tatsächlich jeden Tag in Betrieb nehmen, möchte ich erzählen, warum es absolut sinnvoll ist, eine Maske zu tragen.

Das Kabel unserer Telefonbuchse war aus der Verankerung gerissen (ja, wir besitzen noch einen Festanschluss). So ging ich also zur Telekom, um mir ein Neues zu besorgen. Mit Maske natürlich.

Der Laden war ziemlich klein. Gerade für 2 Personen zugänglich, die jeweils am Eingang abgeholt wurden.
Ich wartete eine ganze Weile, ehe mich ein Mitarbeiter nach drinnen lotste. Vielleicht lag es daran, dass er kein Telegnom war, sondern ein ausgewachsener Riese, der aus schwindelerregender Höhe auf mich herabschaute. Vielleicht lag es aber auch an meiner Maskierung, was dann folgte.

Ich packte das Kabel aus, legte es auf den Tresen und sagte, dass ich Ersatz brauchte.
„Oh, das haben wir nicht,“ meinte der Telekom-Rübezahl, „da musst du zu Conrad gehen.“

Du! Anscheinend schien er einer von denen zu sein, die der Duzomanie erlegen waren. Es kam mir komisch vor, aber ich sagte nichts.
„Gib mir noch mal das Kabel. Ich gucke mal, ob wir so was doch irgendwo auf Lager haben.“
Er tippte etwas in seinen Laptop. „Wie ist denn die Rufnummer?…Und die Adresse?“
Ich nannte ihm alles. Seine Stirn legte sich in tiefe Falten. „Hm, ich sehe gerade, euer TV läuft nicht über uns.“ „Stimmt!“ sagte ich. „Da können wir gleich einen neuen Vertrag aufsetzen. Ist auch viel günstiger als bei der Konkurrenz“ schlug er vor.
Ich schwieg.
Der Telekom-Rübezahl sah mich an. „Das ist doch die Wohnung deiner Eltern, nicht wahr?“ 

Mir verschlug es die Sprache.

Ich hatte zwar eine Maske, die fast zwei Drittel meiner Visage bedeckte. Aber die Stirn glich immer noch einer Nachbildung des Grand Canyons, und meine Haarpracht war weiß wie eh und je. Was hatte Rübezahl geraucht?

„Die Wohnung gehört doch deinen Eltern, oder?“ Ein Augenpaar, schwarz wie Kohle durchbohrte mich. „Ja, genau,“ nickte ich.
Dann brauchst du dir nur eine Vollmacht geben zu lassen und wir machen hier alles klar, ok?“  „In Ordnung, sagte ich, „aber vorher muss ich das alles mit meinen Eltern besprechen.“
Damit ließ ich ihn stehen, wobei ich aufpassen musste, nicht vor Lachen schon am Tresen zusammenzubrechen. Ich schaffte es gerade noch nach draußen.

Leute, tragt Maske, wollt Ihr 45 Jahre jünger sein!
Vielleicht könnt Ihr Euch im Restaurant den Kinderteller bestellen oder dürft auf dem Spielplatz auf die Rutsche.

Forever young

Vorfreude

Den ganzen Sommer über habe ich im Büro und zu Hause gesessen, während meine Kolleginnen und Kollegen sich eine nach dem andern in den Urlaub verabschiedeten.
Es wurde still und stiller auf dem Lajuflur, und irgendwann war ich der Letzte, der abends das Licht ausmachte.

Ich bin noch nie über den Sommer zu Hause geblieben.
Aber eigentlich war das gar nicht schlecht.
Außerdem hielt sich die Lust wegzufahren, in eng gesteckten Grenzen.

Inzwischen sind die Meisten wieder zurück. Sie haben sich gut erholt, einiges erlebt und sind sehr zufrieden mit ihrem Urlaub. Ich höre ihnen gerne zu.
Ihre Geschichten haben nur einen Nachteil:
Es sind Geschichten. Die schönste Zeit des Jahres (wie man so sagt) liegt hinter ihnen.

Bei mir nicht!

In meinem Fall kann ich die Präposition hinter gegen ein fröhliches vor austauschen.
Morgen beginnt mein Urlaub.

Wird auch Zeit!
Die Vorfreude steigt.

Ich bin dann mal unterwegs.
Tschüß in 14 Tagen.

Viele Fragen – eine Antwort

Ich weiß, dass ich nichts weiß.
Ich weiß, dass ich nichts tu.
Ich tu, dass ich nichts weiß.
Ich weiß, das ist nicht gut.
Ist es gut, dass ich nichts weiß?
Weiß ich etwas Besseres?
Ist es besser, etwas zu wissen?
Was tu ich, um zu wissen?
Was weiß ich, um zu tun?
Tu ich, was ich weiß?
Weiß ich, was ich tu?

Ich weiß nicht.

Überraschung!

Ich weiß nicht, worüber ich heute schreiben soll. Klar ist nur, es soll etwas Persönliches sein, kein Statement zu Gröhlnald Stumpf und Konsorten und auch nicht „auf eine Tasse Tee mit Putin“.

So überlege ich, wer mir in den letzten Tagen begegnet ist und muss feststellen, dass es da nichts zum Aufschreiben gibt.

Dann also mal ins Netz gucken.

Ich fange mit www.evlka.de an, was ich normalerweise niemals tue (höchstens am Schluss).
Die Seite erscheint, und huch! wer lächelt mir entgegen? Julia (Grote) und Elske (Gödeke) mit einem neuen Podcast-Format: „Flüsterfragen“.

Wie cool!

Corona hat mir viel Zeit geschenkt, die ich für eine umfassende Auswertung meines Ausstellungsprojektes „Eine Vorstellung von Gott“ verwendet habe (ich bin fast fertig).
Das wichtigste Ziel sind nicht die Erkenntnisse, die ich daraus gezogen habe. Wichtiger ist, dass andere den Faden aufnehmen und auf ihre Weise mit Jugendlichen über spirituelle und theologische Fragen ins Gespräch kommen.

Deshalb Danke Ihr Zwei für Euren Podcast der demnächst startet. Ich wünsche Euch spannende Fragen und ganz, ganz viele Jugendliche, die sich trauen!

Nähere Infos hier und hier

Ein Wort verschwindet

Der Duden, dieses opportunistische Unternehmen, das schlichtweg der Mehrheitsmeinung von Volkes Stimme folgt, hat wieder einmal zugeschlagen.
Es hat ein Wort aus seinem Sprachtresor entfernt und ihn dem Vergessen überlassen.

Schon jetzt kennt es kaum noch jemand. Bald wird niemand mehr es gebrauchen:
Grillenhaftigkeit

Was es bedeutet? Verschrobenheit, Sonderbarkeit, Schrulligkeit, aber mit einem freundlichen Einschlag. Ein grillenhafter Mensch ist (war) jemand, der ein wenig wunderlich ist, aber niemand um Fürchten.
Eine unverwechselbare Person unter vielen viel zu ähnlichen.
Vorbei!

Mit den Wörtern sterben auch die Typen aus. Früher gab es einmal den Grillenhans.
Der ist schon lange verschwunden.

Jedes Jahr setzt der Duden Wörter, die nicht mehr verwendet werden, vor die Tür und wechselt sie durch neue aus.

Grillenhaftigkeit musste gehen.
Was kam stattdessen?
Flugscham.

Grillenhaftigkeit contra Flugscham, ich brauche nur diese beiden Begriffe, um alles über unsere gegenwärtige Situation zu wissen.

Ethik oder Ästhetik?

Heute begebe ich mich vollen Bewusstseins auf ein Mienenfeld. Denn ich bin sicher, dass viele, die das lesen, keine gute Miene zu meinem bösen Spiel machen werden.
Und so kann sich das Ganze auch rasch in ein Minenfeld verwandeln , wo die eine oder andere Empörungsgranate in die Luft geht.

Worum geht’s?
Um Sprache. Gendergerechte!
Und dann nochmals um Sprache. Verhunzte.

Dass allgemeine Dinge jahrhundertelang in männlichen Begriffen ausgedrückt wurden und die weiblichen schlicht nicht vorkamen, war ein Spiegelbild der Geschlechterhierarchie.
Da ist mittlerweile  eine Menge in Bewegung geraten, und kluge Frauen kämpfen auf allen Ebenen für mehr Gerechtigkeit, auch in der Sprache.

Gut so! Ich bin dafür.

Nur die vorherrschenden Lösungen gefallen mir immer weniger.
Wenn ich jemand höre, die von „Referent…innen“ spricht, möchte ich immer ein „und außen“ hinzusetzen. Diese stolpernde Sprachmelodie, ein bißchen an einen Schluckauf erinnernd, bereitet mir Magenschmerzen.
Heftigste!
Dann bleibe ich lieber dabei, von „Referentinnen und Referenten“ zu sprechen, auch wenn das vielleicht länger dauert.

Noch schlimmer aber ist die Lösung mit dem Gendersternchen. Ich verwende es gerade in einer längeren Abhandlung, aber je öfter ich einem Wort dieses Zeichen implantiere, desto mehr wird mir das (Stern-)schnuppe.
Es sieht nicht nur scheiße aus. Es verletzt die Sprache und macht die Wörter zu politisch korrekten Cyborgs, zu moralmanipulierten Zwischenwesen.

Sich mit dem Partizip aus der Klemme helfen zu wollen, bringt auch nichts. Lesende lesen in diesem aktuellen Augenblick; Leserinnen und Leser aber sind Kennzeichnungen von Dauer.

Dann halte ich es doch lieber wie beim Reden und führe beide Formen auf.
Oder, immer am Beginn eines Textes (seufz), erkläre ich, dass der Gebrauch der weiblichen wie der männlichen Form inklusiv gemeint ist, um dann vom Femininen ins Maskuline zu springen und umgekehrt.

Aber ich fürchte, die Meisten werden die Erklärung am Anfang einfach überspringen, um sich anschließend umso heftiger aufzuregen.

Deshalb habe ich jetzt den ultimativen Vorschlag:
Eliminierung des männlichen und weiblichen Artikels zugunsten des neutralen.

Ich glaube, das ist das beste Lösung. Das Mann und das Frau können sich jeweils ihr Geschlecht hinzudenken. Das Bischof sollte das Initiative ergreifen, damit das Kirche ganz vorne in dieses Entwicklung steht. Alle Texte werden neutralisiert. Es wird spannende Lesungen geben und auch Rundverfügungen erhalten ein ganz neues Ausstrahlung.

Übrigens: eine Einrichtung ist da schon immer wegweisend gewesen:
Das Landeskirchenamt

War da was?

Am vergangenen Samstag habe ich mit meiner Frau das Gartenfestival in Hannover-Herrenhausen besucht.
Das hat bei uns Tradition. Einen halben Tag durch die Parkanlagen schlendern, sich interessante Pflanzen ansehen und vor allem Dinge, die man sich schlichtweg nicht leisten kann: vom Whirlpool im Garten (wer braucht so was?) über Strandkörbe in Luxusausgabe bis hin zu Tierfiguren aus Treibholz.

„Was kostet der Teller?“ frage ich und lasse ihn beinahe fallen, als die Verkäuferin sagt: „335 Euro.“

Eben das macht den Reiz des Festivals aus. Es hat alles, was die Welt nicht wirklich braucht, aber das wundervoll dekoriert, ein Schmaus für die Augen.

Normalerweise findet das Festival zweimal im Jahr statt.

Im Frühjahr ist es ausgefallen. Wenigstens nun konnte es seine Tore öffnen.

In der Zeitung lese ich von ausgeklügelten Hygienekonzepten, ausgewiesenen Wegen, die man nur in einer Richtung begehen kann und weiteren Maßnahmen zum Schutz der Kundschaft.

Papier ist geduldig und die Zeitung anscheinend äußerst gutgläubig.
Die Stände mögen sich verringert haben – die Besucherzahl jedenfalls nicht.

Am Eingang kann man seine Hände desinfizieren, und ca. alle 250 Meter steht schüchtern ein Schild am Wegesrand, das darauf hinweist, auf die eigene Gesundheit zu achten.

Die Wege lassen sich in jeder Richtung betreten. Keine Publikumslenkung. Nirgends.
Und niemanden stört’s!
In den Zelten drängen sich die Menschen Schulter an Schulter, verwandt und verschwägert nur in ihrer Sorglosigkeit. 1,50m Abstand schnurren auf reichlich intime 15 Zentimeter zusammen, und manchmal sind es auch nur noch 1,5.

Es hat etwas vom Zug der Lemminge, einem ziemlich fröhlichen Zug.
So muss es auch am Ballermann sein oder am Strand von Scharbeutz oder  oder…
Immer lustig in den Untergang!
„Wir lassen uns das Singen nicht verbieten“ (ein alter Schlagertitel).

Corona? War da was?