Karfreitag

Der Tag, an dem wir Jesus Christi Leiden Tod am Kreuz bedenken – ein trostloser Tag? Ja und Nein. Wenn ich mich darauf einlasse, an was wir an diesem Tag denken, wird mir angst und bange, bin ich traurig und wütend. Und dann ist da noch die Hilflosigkeit, den Tod hinnehmen zu müssen. Jesu gewaltsamen Tod, aber auch den Tod heute. Ganz gleich, wie und durch was er kommt, er ist das Ende eines Lebens. Trostlos eben.

Oft schon war ich an Karfreitag spätabends in Hannover in der Marktkirche und habe ein Konzert des Bachchores erlebt. Die Musik nimmt meine Stimmung auf – sie ist tieftraurig, ja auch manchmal wütend und doch tröstlich. Aufführungen der Passion am Karfreitag in der Marktkirche enden ohne Applaus. Still verlassen viele hundert Menschen die Kirche und gehen in die Nacht. Nur eine Glocke läutet – es erklingt das Totengeläut. Das erklingt sonst von den Kirchentürmen, wenn jemand aus der Gemeinde gestorben ist. Auf dem Friedhof begleitet dieses Läuten den Weg zum Grab. Wie oft werden wir diese Glocke in nächster Zeit hören? Wie viel zusätzliche Trauer bringt die Erkrankung an COVID-19 noch über Menschen und ihre Familien, Gemeinden, Länder – auch bei uns? Was tröstet uns dann?

Als ob es nicht schon genug Leid gäbe, trifft die Erkrankung und treffen die Maßnahmen doch sehr stark Menschen, die schutzlos sind, mit gesundheitlichem Handicap, auf der Flucht, arm, ausgeliefert, obdach- oder heimatlos. Hier und anderorts auf der Welt.

Der stille Karfreitag wird in diesem Jahr trotz des Frühlingswetters noch stiller sein als sonst. Vielleicht liegt darin eine besondere Chance, den Gefühlen von Angst, Leid und Trauer angesichts des Todes mehr Raum zu lassen, als sonst und etwas damit zu machen: andere Musik hören, eine der vielen Andachten mitfeiern, die es dieses Jahr im Internet gibt, auf den Seiten der Gemeinden, auf Instagram, auf youtube oder facebook oder im Radio. Auf Worte oder Musik hören, die uns berühren und tröstlich vom Schmerz erzählen. Wie übrigens die Passionsgeschichte in der Bibel.

Ich höre am Karfreitag immer andere Musik als sonst. Nicht nur Bach. Zum Jugendkreuzweg 2020 mit dem Titel „Icon“ gibt es zur Kreuzigung Jesu neben der eigenen Musik für den Kreuzweg den Vorschlag, den Song „Fix you“ von Cold Play zu hören. Das ist eine tolle Empfehlung, finde ich. Es ist ein Liebeslied über unerfüllte Liebe, über das Gefühl großer Verlorenheit und Selbstzweifel, ja auch über Hilflosigkeit. Es könnte ein Lied des Jüngers Johannes oder der Maria Magdalena sein, sie waren mit Jesus eng befreundet.  Das Lied ist musikalisch einfühlsam mit einer Dynamik, wie bei Bach. Besonders schön finde ich den Text des Refrains:

Lights will guide you home  –         Lichter werden dich nach Hause leiten
And ignite your bones                    und deine Gebeine wieder aufrichten
And I will try to fix you                   und ich werde versuchen, dich aufzurichten

Eine Übersetzung des songs lautet so:
Doch verzage nicht,
mein Licht wird dich in der Dunkelheit wärmen und sicher heim geleiten.
Ich bin an deiner Seite und werde dich wieder aufrichten.

Der Tod ist nicht das Ende, auch nicht der Kreuzestod Jesu. Am Ende ist nicht nur der Schmerz, sondern auch Vertrauen und Liebe – wie auch vorher schon im Leben, vielleicht noch stärker sogar. Jesus sagt am Kreuz:  „Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist.“ (Lukasevangelium, Kap. 23, Vers 46.) Er ist sich trotz allem sicher: Gott ist bei ihm.

Für mich ist es immer wieder von neuem traurig, aber auch tröstlich, über diesen Tod nachzudenken. Mir klar zu machen: es gibt so krassen Schmerz, es gibt den Tod, ich komme nicht drum herum um das Ende des Lebens. Aber dabei muss es nicht bleiben. Wie Johannes, Maria Magdalena und Maria, die unter dem Kreuz standen, können wir es aushalten und trotzdem – wie sie –  mit der Liebe zu einander weiterleben.

Wir halten es aus, dass es den Tod gibt. Wir können spüren, wie wertvoll das Leben ist und können uns umso mehr freuen, wenn in der Osternacht oder am Ostermorgen wieder alle Glocken läuten.

Ich bin an deiner Seite und werde dich wieder aufrichten – das gilt für alle, die es im Leben schwer haben und für alle, die um einen Menschen trauern. Denen die nicht glauben können, das mit seinem Tod noch nicht alles vorbei ist, sagt es Jesus später so: „Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“

„And I will try to fix you“.

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