beSCHEUERt – ein Märchen

Vor jetzt doch schon einer ganzen Reihe von Jahren wurde in der schönen Stadt Passau ein Junge geboren, den alle bald nur noch den Andi nannten. Als der Herrgott den kleinen Andi schuf, waren ihm gerade fast alle Mittel ausgegangen, so dass er lediglich eine Sparversion in die Welt schicken konnte. Während er noch einmal auf sein, ja, er musste es zugeben, Machwerk schaute, überkam ihn so viel Mitleid, dass er ihm schließlich eine Gabe zusätzlich schenkte, im Grunde seine einzige: unerschütterliches Selbstbewusstsein.

So wurde der kleine Andi allmählich größer, plagte sich durch die verschiedenen Schulformen und war schließlich alt genug, sein Schicksal in die eigene Hand zu nehmen.
‚Ich kann zwar nix, das aber gründlich und außerdem besser als der Rest der Welt‘, sagte sich der Andi, den in Passau alle immer noch den kleinen nannten. So trat er in die Junge Union ein und gleichzeitig in die CSU.
‚Leute wie ich werden in der Politik immer gebraucht‘, dachte er bei sich selbst. 
Wie recht er hatte.

Rasch machte er Karriere, stieg auf und aufer, wurde dies, wurde das.
2018 stolperte er schließlich ins Bundesverkehrsministeramt.  
Überall in den Konzernetagen der Automobilindustrie ploppten die Champagnerkorken.

Der Scheuer Andi sollte sie nicht enttäuschen.

Er kämpfte unverdrossen für das Auto, für mehr Autobahnen und gegen das Tempolimit.
Aber das reichte ihm nicht. Er wollte etwas ganz Großes: eine Pkw-Maut.
Es gab zwar Bedenken einiger ahnungsloser Experten, doch wer hört schon auf die? Der Scheuer Andi jedenfalls nicht. Wer zögert, verliert. Wer nachdenkt, auch.
Deshalb schloss er flugs langfristige Verträge ab.
Blöd nur, dass der Europäische Gerichtshof die ganzen Pläne als nicht rechtens wieder einkassierte.
Noch blöder, dass die Verträge längst unterschrieben waren.

Da hätte der kleine Andi nun ziemlich dumm dagestanden mit den mehr als 500 Millionen Miesen, die er dem Steuerzahler eingebrockt hatte. Aber da, wie gesagt, sein Selbstbewusstsein erdbeben- und selbstschamsicher war, passierte natürlich nichts dergleichen.  Ja, der Scheuer Andi war sich auch nicht zu schade dafür, die Aufklärungsversuche nach Herzenslust zu blockieren.

Da man ihm weiter freie Hand ließ, kam er auf die Idee, den Bußgeldkatalog zu aktualisieren und vor allem zu verschärfen. Das reute ihn bald, weshalb er einfach einen Formfehler in das Verfahren einbaute, so dass der ganze Bußgeld-Dampfer auf Grund lief.
Es konnte ja auch nicht sein, dass man bei 21km/h Geschwindigkeitsüberschreitung schon seinen Führerschein los sein sollte – einen ganzen Monat lang.
Auf Auto-Andi war eben Verlass.

Fürs Verkehrsministerium gilt anscheinend das, was eigentlich für jedes Mitglied in der evangelischen Kirche gelten sollte: allein aus Gnade. Wir sind immer schon freigesprochen von allen Verfehlungen und müssen uns keine Bußen auferlegen.

Überhaupt bewegen wir uns in diesem Märchen auf ziemlich schwerem theologischen Grund. Von Passion zu Passau ist es nur ein kleiner Schritt; von der Buße zum Bußgeld ein noch geringerer.

Darum sollte man dem Verkehrsministerium den Zusatz evangelisch-lutherisch hinzufügen, um deutlich zu machen, dass es der spirituellste Ministerposten im gesamten Bundeskabinett ist.
Wer sich mit so geringen Fähigkeiten in einem solchen Amt halten kann, der muss tatsächlich aus der Gnade leben. Allein aus ihr.

Was ist noch zu sagen zum Scheuer Andi?
Ach, das wäre nur Altbekanntes.
Und wenn er nicht gestorben ist, verkehrtministert er noch heute und morgen und übermorgen und…

Homeoffice

Heute arbeite ich zu Hause. Das hat viele Vorteile: kurze Wege, keine Ablenkung, Ruhe pur.
Es gibt ein paar Dinge, die brauchen gerade meine volle Konzentration, und die kann ich am besten im Homeoffice…

Oh, das Telefon!

„Nein, ich habe kein Probe-Abo der FAZ bestellt. Den Spiegel will ich auch nicht kennenlernen, ich hab schon einen…Das war ein Witz! Ich meinte, den Spiegel im Badezimmer. Wie? Verreisen werde ich in diesem Jahr sicher nicht, schon gar nicht nach Antalya…Guten Tag.“

Manno, wo war ich stehengeblieben? Ach ja, Konzentration.

Das ist eben das Gute am Homeoffice, dass man ungestört arbeiten kann und…

Verdammt! Jemand klingelt an der Haustür.

Der Schornsteinfeger.
„Sie wollen die Feuermelder prüfen? Bitte sehr, kommen Sie herein…Stimmt, wir haben schon besseres Wetter gehabt. ..Die Zukunft ist auch nicht mehr das, was sie mal war…Mottenplage? Habe ich noch gar nicht bemerkt… Im Keller sind keine Melder. Ja, ich wünsche Ihnen auch einen guten Tag.“

Was wollte ich eben noch sagen?
Genau, ungestört arbeiten.

Das geht zu Hause viel besser, auch wenn es natürlich immer schön ist, mit den Kollegen ein Schwätzchen zu halten. Aber es bedeutet eben jedes Mal auch eine Ablenkung. Deshalb finde ich es sinnvoll, hin und wieder zu Hause…

„Nein, ich möchte jetzt keinen Kaffee…Keine Ahnung, wo Du Deine Brille hingelegt hast. Hast Du schon im Wohnzimmer nachgesehen? Ja? Dann weiß ich auch nicht…Doch, ich nehme das ernst, ich kann gerade nur nicht…“

Wie laut man eine Tür zuknallen kann!

Wo waren wir? Stimmt! Homeoffice.

Auf Dauer wäre es mir zu ruhig. Die Abwechslungen fehlen. Stille kann ja auch bedrücken.
Doch wenn es darum geht, am Stück etwas zu schaffen, würde ich immer aufs Homeoffice setzen.
Es gibt einfach nichts Besseres.

Ungelöstes

Das Leben steckt voller Rätsel, besonders wenn man auf die Sprache achtet (ohne sie gäbe es ja auch nix zu sagen).
Gestern bestellte ich mittags eine Flasche Mineralwasser, und die Kellnerin fragte, ob es ein stilles  sein solle. Das brachte mich ins Nachdenken.
Der Gegensatz von still ist laut. Hätte ich also sagen müssen: „Nein, ich möchte ein lautes Wasser.“? Oder ein lärmendes Wasser? Ein Wasser mit Klang? Ein Wasser, das spricht?
Im NIederländischen heißt es met prik, was sich sehr frei als mit Schmackes übersetzen ließe.
„Ein Wasser mit Wumms, bitte.“ Aber das erinnert zu sehr an unseren Finanzminister.
Ich hab’s! Beim nächsten Mal bestelle ich ein „Wasser mit 80 Dezibel,“ dann bekomme ich garantiert kein Stilles.

Wo wir gerade beim Trinken sind, können wir auch gleich zum Essen übergehen, genauer gesagt zum Reis.
Neben Basmati (ich bin immer geneigt, Asthmati zu sagen), kann man bekanntlich ja auch Duftreis, Risotto oder roten Reis kaufen. Und dann steht auch ein Sortiment im Regal, um das ich bislang immer einen Bogen gemacht habe: Wilder Reis.
Puh, klingt gefährlich! Was passiert, wenn ich die Packung öffne? Werde ich dann angefallen und zerfleischt?
Das Gegenteil von wild wäre gezähmt oder domestiziert. Vielleicht sollte ich danach mal fragen oder „Haben Sie auch Hausreis?“

Tja, jetzt den richtigen Übergang finden. Schwer, schwer!
Irgendwie lande ich am Ende immer beim Donald, dem alten Trumpeter, der unbestreitbar zu den lauten Wassern gehört und sich auch als wilder Reis ziemlich gut machen würde…
Ich möchte ihm nichts Schlechtes nachsagen und schon gar nicht verunglimpfen. Im Gegenteil!
Ich würde ihn gerne mit voller Überzeugung und Bewunderung verglimpfen!


Wenn ich nur wüsste, was das bedeutet.

Eisbären und Himbeeren

Jair Bolsonaro hat’s erwischt. Der brasilianische Präsident, der nur in einem groß ist, nämlich im Leugnen von Corona, hat sich infiziert.

Hat lang gedauert.

Schließlich hat er auf alle Abstandsregelungen und Schutzmaßnahmen gepfiffen.
Die Wirklichkeit lässt sich nicht schönlügen.

Aber die BolsonarosTrumpsundJohnsons dieser Welt versuchen das weiterhin und torkeln wie im Fieberwahn durch ihre Tage.
Sie haben so oft gelogen, dass sie mit dem Wort Wahrheit nichts mehr anfangen können.
Es ist nicht überraschend, dass die USA, Brasilien und Großbritannien führend in den Pandemiezahlen sind: die meisten Erkrankungen, die meisten Toten – „Make Corona great again“.

Wenn Politiker an der Spitze stehen, die alles vereinfachen wollen, wird‘s kompliziert – und desaströs.

Die Wirklichkeit mag uns nicht immer schmecken, aber es hilft nicht, sich aus ihr zu verabschieden in Verschwörungstheorien, rassistische Überlegenheitsträume oder esoterischen Quark. So etwas tun vielleicht Feiglinge, aber niemand mit noch wenigstens einem Funken Verstand und Ehrgefühl.

Wer die Wirklichkeit leugnet, bringt andere in Gefahr.
Sich selbst auch.
Bolsonaro ist Risikopatient.

Jeder Tag bietet neue Herausforderungen. Wir können uns die Wirklichkeit nicht zurechtbiegen, aber wir können sie verändern.
 Das ist besser, als sich und anderen etwas vorzumachen.

Ich hätte ich mir nie träumen lassen, einmal Franz Josef Strauß zu zitieren, den ehemaligen CSU-Vorsitzenden und bayerischen MInisterpräsidenten. Aber vielleicht verstehen die Wirklichkeitsleugner dann, was gemeint ist:

„Wenn ich eine rosa Brille aufsetze, wird aus einem Eisbären trotzdem keine Himbeere.“
Jair, Donald, Boris, so ist es!

Die kommunizierende Schöpfung

Ich lese mich ein wenig wahllos durch die Psalmen und lande irgendwann beim 19.
Ich stocke, nachdem ich die ersten fünf Verse überflogen habe und kehre zu ihnen zurück.

Jetzt noch einmal – und zwar ganz langsam:
Psalm 19
2) Der Himmel erzählt die Herrlichkeit Gottes, und das Firmament verkündet das Werk seiner Hände.
3) Ein Tag sagt es dem andern, und eine Nacht tut es der anderen kund,
4) ohne Sprache, ohne Worte, mit unhörbarer Stimme.
5) In alle Länder hinaus geht ihr Schall, bis zum Ende der Welt ihr Reden.

Das ist ein ganz anderer Blick auf die Welt als der gegenwärtige. Dem geht es letztlich nur um die Verwertbarkeit von allem, was da ist. Selbst Menschen fallen ihm zum Opfer. Das Goldene Kalb von heute heißt „Wohlstand“. Er ist auf Blut gebaut. Inzwischen zerrüttet er auch die Gesellschaften, die lange von ihm profitierten.

Wir müssen den Kurs ändern.
Aber ist das überhaupt noch möglich?

Ja, wenn wir die Perspektive wechseln.

Psalm 19 zeigt uns an, in welche Richtung es gehen kann, ohne dass wir dabei zu Vergangenheitsverklärern werden.

Die wenigen Verse entwerfen ein ganz anderes Bild von der Erde. Sie ist eine Echokammer Gottes. Sie ist ein fortlaufender Verkündigungsprozess, der in unterschiedlichen „Sprachen“ von Gott erzählt.

Die Erde ist mehr als ein Biosystem. Sie ist Schöpfung, und Schöpfung ist nicht stumm. Sie hat uns etwas zu erzählen, wenn wir uns den Raum geben, ihr zuzuhören.

Es braucht unsere Aufmerksamkeit.

Eine solcher Perspektivwechsel ist nicht die Lösung, aber ihr Anfang.
Kleine Schritte reichen nicht mehr.
Jetzt wird es Zeit für die großen!

J

Sieht ziemlich verlassen aus, dieses J.
Überhaupt gehört es zu den vernachlässigten Buchstaben im Alphabet.
Oft wird es bei Aufzählungen überschlagen, da es sich leicht mit dem I verwechseln lässt.

Seit kurzem ziert es nun das Schild zu unserem Sitzungsraum, der vorher Raum 220 war.
Damit hatte er eine Ausnahmestellung im ganzen Haus. Denn alle anderen Sitzungsräume werden mit Buchstaben benannt.

Das Laju tanzt nun nicht mehr aus, sondern brav zurück in die Reihe.

Ich gestehe, ich bin ein Bewahrer. 220 klingt irgendwie nach mehr als ein schnödes J.
In den letzten Tagen bin ich häufiger daran vorbeigelaufen. Und jedes Mal krampfte sich mir das Herz zusammen vor Mitleid. Armes, einsames J!
Schließlich konnte ich es nicht länger ertragen. Das J brauchte Gesellschaft.
So habe ich gestern ein „ürgen“ dahintergeklebt.

Sieht viel besser aus.

Wir treffen uns bei Jürgen klingt irgendwie prägnanter. „Jürgen-Julia“ passte leider nicht. Zu wenig Platz. Aber um nicht einseitig zu werden, kann aus Jürgen irgendwann Julia werden.
Und auch sonst bieten sich noch jede Menge Möglichkeiten: Wir treffen uns im Juli oder auf dem Jahrmarkt. Wir tagen in Jerusalem, in Japan oder Jesteburg, im Januar, im  Juni und auch am Jangtsekiang.

Wenn die Verwaltung mich machen lässt, wird mir noch allerhand einfallen.

Jarantiert

Gabriel

Nicht den Erzengel meine ich, sondern Sigmar, den Bonsai-Schröder aus Goslar. Der ist ja bekanntlich nicht mehr in der SPD tätig, aber immerhin noch ihr Mitglied.

Scheint aber keine große Rolle zu spielen.

Eben noch Kämpfer für die Ausgebeuteten, jetzt Angestellter beim Ausbeuter.
Clemens Tönnies, der Billigfleischpirat und letzte Sargnagel von Schalke 04, der seine Arbeiter unter miesesten Bedingungen schuften lässt, dieser Tönnies hat den Siggi gebeten, ihm einen Gefallen zu tun.

Der hat sich nicht lumpen lassen.

Hat er gern gemacht, gegen eine kleine Aufwandsentschädigung: 10.000,-€ im Monat plus vierstelliger Betrag für jeden Reisetag.

Da kann man schon mal großzügig über die Werte hinwegsehen, für die man (angeblich) jahrelang eingetreten ist.
S.G. hat auch eine Erklärung parat. „“Für normale Menschen sind 10.000 Euro viel Geld. Aber in der Branche ist das kein besonders hoher Betrag. Ich bin kein Politiker mehr.“
Heißt das: meine Überzeugung war gar keine? Wes Brot ich ess, des Lied ich sing?

Muss es wohl.

Gabriel ist zur Zeit dabei, ein ganzes Repertoire an Liedern einzuüben: Deutsche Bank, die US-Politikberatungsfirma „Eurasia Group“, Siemens Energy und vieles mehr.

Er wird, aus der Sicht von normalen Menschen, unglaublich viel Geld verdienen.

Soll er!
Meine Verachtung bekommt er gratis.

Kreativer Widerstand

So möchte ich es nennen, wenn ich an die neuen Angebote evangelischer Jugendarbeit denke.
Die Lähmung hat sich gelöst, die Einfälle sprudeln wieder. An vielen Orten entstehen momentan spannende Ideen, die auch noch umgesetzt werden. 🙂

Wenn ich auf dieser Seite z.B. auf „Sommerprojekte“ gehe, finden sich dort Maßnahmen, die es so sonst nicht gegeben hätte.

Das ist großartig!

Ein Dankeschön an alle, die nicht aufgeben, sondern sich auf den Weg machen.
Schickt uns, was euch eingefallen ist und teilt es mit anderen.

Wir sind lebendig!
und wie!

Stille

Sie verlässt uns allmählich. Die Aktivitäten nehmen zu. Die Straßen sind längst wieder in Blech gegossen, am Himmel werden Kreuze ins Blau geritzt. Die Orte verlieren ihre eigene Stimme. Das laute Leben kehrt zurück.
Was haben wir uns danach gesehnt!
Da kommt es mir fast wie ein Abschied vor, als mir beim Aufräumen dieses Gedicht in die Hände fällt. Ich hatte es längst vergessen.
Nun umgibt mich noch einmal die Stille mit ihrem leisen, klaren Klang.
Das, was sie mir gezeigt hat, möchte ich behalten und mitnehmen in den Lärm des Tages.

Stille
Ohrenbetäubend manchmal.
Gedanken, die lärmen
wie aneinandergebundenes Blech.
Unrast des Herzens
in Dur und in Moll,
diese atemlos chorische Furcht,
sich zu finden im Lautlosen,
dort, wo wir sind
wie wir sind:

ein leichtes Zittern
im unauslotbaren Schweigen
Gottes.
(Reto Bühler)