Ethik oder Ästhetik?

Heute begebe ich mich vollen Bewusstseins auf ein Mienenfeld. Denn ich bin sicher, dass viele, die das lesen, keine gute Miene zu meinem bösen Spiel machen werden.
Und so kann sich das Ganze auch rasch in ein Minenfeld verwandeln , wo die eine oder andere Empörungsgranate in die Luft geht.

Worum geht’s?
Um Sprache. Gendergerechte!
Und dann nochmals um Sprache. Verhunzte.

Dass allgemeine Dinge jahrhundertelang in männlichen Begriffen ausgedrückt wurden und die weiblichen schlicht nicht vorkamen, war ein Spiegelbild der Geschlechterhierarchie.
Da ist mittlerweile  eine Menge in Bewegung geraten, und kluge Frauen kämpfen auf allen Ebenen für mehr Gerechtigkeit, auch in der Sprache.

Gut so! Ich bin dafür.

Nur die vorherrschenden Lösungen gefallen mir immer weniger.
Wenn ich jemand höre, die von „Referent…innen“ spricht, möchte ich immer ein „und außen“ hinzusetzen. Diese stolpernde Sprachmelodie, ein bißchen an einen Schluckauf erinnernd, bereitet mir Magenschmerzen.
Heftigste!
Dann bleibe ich lieber dabei, von „Referentinnen und Referenten“ zu sprechen, auch wenn das vielleicht länger dauert.

Noch schlimmer aber ist die Lösung mit dem Gendersternchen. Ich verwende es gerade in einer längeren Abhandlung, aber je öfter ich einem Wort dieses Zeichen implantiere, desto mehr wird mir das (Stern-)schnuppe.
Es sieht nicht nur scheiße aus. Es verletzt die Sprache und macht die Wörter zu politisch korrekten Cyborgs, zu moralmanipulierten Zwischenwesen.

Sich mit dem Partizip aus der Klemme helfen zu wollen, bringt auch nichts. Lesende lesen in diesem aktuellen Augenblick; Leserinnen und Leser aber sind Kennzeichnungen von Dauer.

Dann halte ich es doch lieber wie beim Reden und führe beide Formen auf.
Oder, immer am Beginn eines Textes (seufz), erkläre ich, dass der Gebrauch der weiblichen wie der männlichen Form inklusiv gemeint ist, um dann vom Femininen ins Maskuline zu springen und umgekehrt.

Aber ich fürchte, die Meisten werden die Erklärung am Anfang einfach überspringen, um sich anschließend umso heftiger aufzuregen.

Deshalb habe ich jetzt den ultimativen Vorschlag:
Eliminierung des männlichen und weiblichen Artikels zugunsten des neutralen.

Ich glaube, das ist das beste Lösung. Das Mann und das Frau können sich jeweils ihr Geschlecht hinzudenken. Das Bischof sollte das Initiative ergreifen, damit das Kirche ganz vorne in dieses Entwicklung steht. Alle Texte werden neutralisiert. Es wird spannende Lesungen geben und auch Rundverfügungen erhalten ein ganz neues Ausstrahlung.

Übrigens: eine Einrichtung ist da schon immer wegweisend gewesen:
Das Landeskirchenamt

War da was?

Am vergangenen Samstag habe ich mit meiner Frau das Gartenfestival in Hannover-Herrenhausen besucht.
Das hat bei uns Tradition. Einen halben Tag durch die Parkanlagen schlendern, sich interessante Pflanzen ansehen und vor allem Dinge, die man sich schlichtweg nicht leisten kann: vom Whirlpool im Garten (wer braucht so was?) über Strandkörbe in Luxusausgabe bis hin zu Tierfiguren aus Treibholz.

„Was kostet der Teller?“ frage ich und lasse ihn beinahe fallen, als die Verkäuferin sagt: „335 Euro.“

Eben das macht den Reiz des Festivals aus. Es hat alles, was die Welt nicht wirklich braucht, aber das wundervoll dekoriert, ein Schmaus für die Augen.

Normalerweise findet das Festival zweimal im Jahr statt.

Im Frühjahr ist es ausgefallen. Wenigstens nun konnte es seine Tore öffnen.

In der Zeitung lese ich von ausgeklügelten Hygienekonzepten, ausgewiesenen Wegen, die man nur in einer Richtung begehen kann und weiteren Maßnahmen zum Schutz der Kundschaft.

Papier ist geduldig und die Zeitung anscheinend äußerst gutgläubig.
Die Stände mögen sich verringert haben – die Besucherzahl jedenfalls nicht.

Am Eingang kann man seine Hände desinfizieren, und ca. alle 250 Meter steht schüchtern ein Schild am Wegesrand, das darauf hinweist, auf die eigene Gesundheit zu achten.

Die Wege lassen sich in jeder Richtung betreten. Keine Publikumslenkung. Nirgends.
Und niemanden stört’s!
In den Zelten drängen sich die Menschen Schulter an Schulter, verwandt und verschwägert nur in ihrer Sorglosigkeit. 1,50m Abstand schnurren auf reichlich intime 15 Zentimeter zusammen, und manchmal sind es auch nur noch 1,5.

Es hat etwas vom Zug der Lemminge, einem ziemlich fröhlichen Zug.
So muss es auch am Ballermann sein oder am Strand von Scharbeutz oder  oder…
Immer lustig in den Untergang!
„Wir lassen uns das Singen nicht verbieten“ (ein alter Schlagertitel).

Corona? War da was?

Ein Lügenbaron

Dröhnnald Shrink, Präsident der Unvereinigten Staaten von Amerika (der Name wurde wieder einmal zum Schutz der Person geändert) wettert seit Wochen gegen die Briefwahl in seinem Land.
Diese wäre das Einlasstor für (natürlich muss ein Superlativ herhalten) den größten Wahlbetrug in der Geschichte.

Tja, die meisten Wähler und Wählerinnen, die Briefwahl beantragen werden, gehören zum demokratischen Lager. Und das gefällt Mr. Shrink gar nicht.

Wie ein Automat brettert Gröhnnald dem Volk  seine Botschaft unter die Schädeldecke. Täglich, stündlich der gleiche Quark.

Daneben unternimmt er alle Anstrengungen, die Post lahmzulegen, indem er ihr einen Chef vor die Nase gesetzt hat, der diese Behörde schwächt. Kurzerhand hat Louis DEJoy die Bezahlung sämtlicher Überstunden gestrichen, was die Briefabwicklung enorm verzögert.
Außerdem weigert sich Präsident Shrink, der Post im Zuge eines Corona-Hilfspakets zusätzliche Mittel zukommen zu lassen.

Denn Briefwahl ist von Übel, weil getrickst und gefälscht wird.

Der Präsident hat von einem Jahr seinen Wohnsitz nach Palm Springs in Florida verlegt. Vermutlich, damit er näher an seinen Golfplätzen ist.

 In Florida finden in der kommenden Woche die örtlichen Vorwahlen statt.
Dröhnnald und seine Frau Melanomia haben Briefwahl beantragt.

Wenn es einem da nicht den Atem verschlägt, wann dann?

Eilmeldung

Rücktritt
Donald Trump legt überraschend seine Amtsgeschäfte nieder und geht für 4 Jahre in ein Trappistenkloster.
„Ich habe mir als Buße auferlegt, vier Jahre zu schweigen,“ sagte der scheidende Präsident zum Abschied. Mehr wollte er nicht dazu sagen.

Impfstoff gegen Covid19-Virus gefunden
Der Kampf ist gewonnen. Der Impfstoff, an dem verschiedene europäische Firmen gearbeitet haben, kommt in der nächsten Woche in die Arztpraxen. Binnen 6 Monaten soll die Weltbevölkerung immunisiert sein.

Kampf dem CO2
Die Staaten der Welt verschärfen das Pariser Abkommen und verpflichten sich für radikalen Abbau der CO2-Emissionen. Der französische Präsident Macron dazu: „Wir haben endlich verstanden. Von nun an gibt es keine Kompromisse mehr.“

Reform
Die Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers ruft ein Jahr der Jugend aus. Die Landeskirche wird ihren Haushalt umschichten und einen beträchtlichen finanziellen Betrag speziell der Jugendarbeit zukommen lassen. Ziel ist, die Kreisjugenddienste und das Landesjugendpfarramt zu stärken.
Ein Insider aus dem Landeskirchenamt dazu: „Wir haben endlich verstanden. Von nun an gibt es keine Kompromisse mehr.“

Landregen in der nächsten Woche
Der Deutsche Wetterdienst prophezeit einen siebentägigen Landregen, der die dramatische Lage von Wäldern und Landwirtschaft deutlich entspannen wird. Gerechnet wird mit 100 Litern pro Quadratmeter.

Man wird doch wohl noch mal träumen dürfen.

Tante Rita

Meine Tante heißt Rita.
Zack, mit Nachnamen.
Rita Zack, ein Name, der Programm ist.
Das lässt einen gleich in Deckung gehen, weil man schon ahnt, was kommt:
bei Rita hat Humor keine Chance!

Tante Rita ist besorgt. Sie ist Pädagogin, und für diese Berufsgruppe ist Besorgtheit der Normalzustand. Weil der Mensch ja am Anfang noch keiner ist, sondern ihm erst mühsam beigebracht werden muss, was es heißt, ein Mensch zu sein. Der grobe Klotz ist zu formen. Er wird gebildet.

„Sitz gerade,“ sagt Tante Rita.
„Lass die Hände auf dem Tisch. Wir sind hie nicht in den Staaten.“

Seufz, Rita ist im Dauereinsatz und anscheinend findet sie auch an mir noch ausreichend Modellierpotential.
„Man führt die Tasse zum Mund und nicht umgekehrt.“

Naja, Lappalien. Wer nicht lehrt, der kommt aus der Übung. Und Übung macht bekanntlich den Meister. Oder den Bischof.

Die Sommerferien sind für Tante Rita eine Qual. Überall entdeckt sie junge Leute, die n. i. c. h. t. s. tun, sondern ungebildet in der Botanik hocken. Könnte man die nicht in den Ferien in die Schule schicken und sie etwas Sinnvolles machen lassen?
Und überhaupt: Lernen und Leben sind eins.

Jedenfalls für Tante Rita.

Lernen heißt: sich einen Stoff aneignen, den andere einem vorsetzen.
Andere Wege sind für sie undenkbar.
Oder die Vorstellung, dass auch junge Menschen längst komplette Menschen sind.
Dass sie ernstzunehmen sind und einen nicht-normierten Blick auf die Welt haben.

Binsenwahrheiten, ich weiß.
Aber bei Tante Rita ist das alles in die Binsen gegangen.
Sie weiß, was gut ist, während alle anderen um sie herum strunzdumm sind.
Das nennt man pädagogische Fehlhaltung.

Tante Rita doziert weiter, ohne Rücksicht auf Verluste.
Ich werde ungeduldig.

„Nimm das Messer in die gute Hand.“
„Ach, halt doch die Klappe,“ sage ich.

Ein Gebet

Mein Gott,
steh mir bei!
Der Grund unter mir
ist brüchig geworden,
meine Füße suchen nach Halt,
so viel Vertrautes,
das mir fremd geworden ist,
ich verliere die Orientierung.
Wer bin ich?
Weiß ich das noch?
Wusste ich das je? 

Mein Gott,
Du stehst mir bei!
Du bist mein Grund,
in deinem Schatten finden meine Füße
den Halt, den sie brauchen.
Du bist mein Vertrauter,
ich kenne meinen Weg,
du weißt, wer ich bin,
und ich habe manchmal
zumindest eine Ahnung von mir,
das ist genug.

Mein Gott,
öffne mein Herz,
damit ich nicht pausenlos um mich kreise,
sondern wache Augen habe
für die Menschen, die mir begegnen.
Schenke mir Mut und Kraft,
dass ich nicht wegsehe,
wo ich hinsehen muss.
Mach mich zu einem deiner Funken.
Lass mich das Leben lieben
und niemals etwas ohne Liebe tun.

Alle schwitzen, manche schwatzen

Ja, es ist heiß, wirklich heiß, und das lässt sich nicht Petrus zuschreiben oder einer Laune der Natur. Schuld ist auch nicht nur der Bossa Nova (ich bitte um Vergebung für diesen niveaubarrierefreien Witz, den ohnehin nur ältere Semester verstehen), sondern, na, wer wohl, richtig: der Klimawandel.

Dort, wo es kalt sein sollte, ist es noch heißer als bei uns: 38 Grad wurden im sibirischen Werchojansk gemessen, normalerweise die kälteste Stadt der Erde.

Aber solange die Nordsee nicht in Hannovers Marktkirche dem Bischof übers Schuhwerk schwappt oder das Steinhuder Meer überflutet, bleibt die Bedrohung ungreifbar. Dabei ist Corona ein Kindergeburtstag dagegen.
Anscheinend sind wir nicht imstande, uns Gefahren vorzustellen, wenn wir sie nicht direkt spüren.
Das ist so etwas wie ein anthropologischer Defekt. Wir sind extrem gefahrenkurzsichtig. Da hilft auch Brille F. nicht weiter.

Und unsere Politiker*innen und Wirtschaftsleute haben zwar ihre Sprache verändert, aber nicht den Kurs. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmeier hat vor wenigen Tagen in der Klimaschutzpolitik Versäumnisse eingeräumt. Nun aber, bis 2050 soll sich alles zum Guten wenden.
Logo!
Das glauben wir dem Peter nun mal
so ganz und gar nicht!

Allerorten spielen unsere politischen und wirtschaftlichen DJs die Beschwichtigungsplatte, die in ihren Ohren einfach hitverdächtig zu klingen scheint. Mehr haben sie ja auch nicht auf Lager.
Also backen sie die immergleiche Version zusammen, pinseln eine schicke Lasur drauf und bringen das Ganze dann in Umlauf.
„Wir streben die CO2-Neutralität bis 2030 an…Ach, nee doch nicht, Versprecher, wir meinten 2050…Also, ähem, bis 2100 ganz bestimmt.“
Und so geht das im einlullenden Promise-Sound in einem fort.

Ich denke, es wird Zeit, etwas klarzustellen:

Wir schwitzen, und das ist verdammt beunruhigend.
Wir machen uns Sorgen.
Da braucht es keine Leute, die von grüner Zukunft schwatzen.

Spart euch die Mühe.
Ihr überzeugt uns nicht.

Und unsere Stimme könnt ihr 2021 auch schon mal vergessen!
So wahr ich nicht Altmaier heiße.

Am Abend

Der Wind ist gegangen,
die Luft steht still,
kein Blatt, das sich rührt,
kein Vogel, der singt.

Schweigend ergibt sich
das Licht und verlischt,
die Dämmerung fällt wie
ein Tuch in die Gärten.

Am Himmel ein Stern
wird dich fragen:
Wer bist du geworden
und wer willst du sein?

Peng! Das hat gesessen!

Nein, keine Sorge! Ich bin nicht zu den Waffenfetischisten übergelaufen und plötzlich ein Gewaltbefürworter geworden.
Peng! Ist ein Künstler*innenkollektiv, das einen wunderbaren Einfall hatte.
Es baute eine Seite der Bundesregierung nach und erklärte sich zum Bundesamt für Krisenschutz und Wirtschaftshilfe.
Auf diese Weise gelang es, mit einigen der höchsten CEOs  Deutschlands zu sprechen.

Herausfinden wollten die Künsterler*nnen, ob den Wirtschaftsbossen etwas einfiel zum Umbau der Wirtschaft. Wenn fortwährendes Wachstum schon rechnerisch nicht möglich und die Hoffnung auf neue Technologien nur bedeutet, eine Lösung der Probleme aufzuschieben, dann müssten ihnen doch sicherlich Alternativen einfallen.

Die Antwort war eindeutig: statt auf Wachstum und neue Technologien, setzen sie, äh,… weiter auf Wachstum und neue Technologien.

Einfallsarmut in deutschen Wirtschaftsetagen. Wer hätte gedacht, dass Visionäre dort absolutes Zugangsverbot haben?
Ist ja auch viel bequemer so!

Klingelstreich beim Kapitalismus nennt das Kollektiv seine Aktion, der eine ganze Reihe von Wirtschaftsleuten auf den Leim gegangen sind.
Guckt es euch an!

Ich habe mich amüsiert und war zugleich erschrocken.
Ich habe gelernt:
Wir sollten nicht  Leuten unsere Zukunft überlassen, die längst Vergangenheit sind.

Und vor allem ist es ja nicht mehr ihre Zukunft.
Die gehört anderen!