Verdammt, die Zeit!

Die Zeit hat keine Zeit! Sie fließt, rast, eilt, verstreicht, vergeht, verfliegt, saust dahin…
Stets auf dem Sprung. Immer in Bewegung. Dabei fragt man sich doch, warum?
Es wartet niemand auf sie; den Bus verpassen nur andere, sie ist nirgendwo eingeladen, und ein Ziel hat sie meines Wissens auch nicht. Sie will einfach nur weg!

Diese Ruhelosigkeit hat etwas Pathologisches. Ob eine Psychotherapie helfen würde? Ein Optimist, wer auf Selbsterkenntnis hofft.

Doch die Zeit macht sich nicht nur ständig vom Acker. Sie besitzt auch die unangenehme Eigenschaft, sich großzügig bei anderen zu bedienen.
Kaum drehst du dich um, schon hat sie dir einen Tag aus der Tasche geangelt und schnitzt dir dafür eine Kerbe in die Visage, so wie der Wirt seine Striche macht auf dem Bierdeckel.

„Aber ich habe doch gar nichts bestellt?“
„Der Herr(gott) an der Theke gibt eine Lokalrunde aus.“
„Auf unsere Kosten?“
„Naja, einem geschenkten Gaul schaut man doch nicht ins Maul, oder?“
„Aber ich weiß gar nicht, ob ich das überhaupt noch bezahlen kann.“
„Da machen Sie sich mal keine Sorgen. Am Ende bezahlen alle Ausnahmslos.“

Schluck. In früheren Zeiten musste man sich ernsthaft Sorgen machen.
Einmal abwaschen reichte nicht aus, sich das Fegefeuer zu ersparen.
Heute wissen wir es besser. Während wir noch panisch mit unserer EC-Karte herumfuchteln, wohl wissend, dass unser Guthaben nicht ausreicht, wird uns gesagt, dass die Rechnung längst beglichen ist.

„Von wem denn?“
„Der Herr(gott) da an der Theke hat das für Sie übernommen.“
Oh,danke!“
„Ja, schon gut. Und jetzt raus hier!“

Aber ich schweife ab. Zurück zum Thema.
Manchmal habe ich das Gefühl, Zeit ist ein Glas Wasser in der Jackentasche.
Umgestülpt natürlich.

Gestern stellten meine Kollegin und ich fest, dass wir schon Mitte Juli haben (was heißt hier haben?).
Beängstigend!

Wir alle leiden sozusagen an temporaler Inkontinenz. Überall und ständig leckt es aus uns heraus.
Das Bild ließe sich weiter vertiefen.
Lieber nicht!

Temporal betrachtet sind wir alle Habenichtse bzw. steuern frontal auf die Insolvenz zu.

Was folgt daraus?

Nicht Depression, sondern Aktion.
Handeln, nicht abwarten.
Durchstarten. Loslegen.

Wer nichts zu verlieren hat, muss sich nicht sorgen.

Also, nicht resignieren. Stattdessen: Ideen ausbrüten, Pläne schmieden, die Zeit ausfüllen, sich verausgaben, sich verschenken.

Ich glaube, wer das so praktiziert, wird nahe dran sein an einer anderen Art von Zeiterleben, darin die Zeit paradoxerweise nicht länger fortgeht, sondern zur Ruhe kommt.
„Meine Zeit steht in deinen Händen,“ heißt es im 31. Psalm (16a), der voll atemloser Bedrohungen steckt, an dieser Stelle aber in die Windstille navigiert.

Und es ist nicht einfach Zeit, es ist meine Zeit, die sich in Gottes Obhut befindet.

Sie geht dort nicht verloren.
Und wir auch nicht.

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