Abschied

Hinter mir sitzt mein Sohn und schreibt einen Artikel. Seine Finger hämmern aufs Keyboard ein, kleine Tänzer, die sich über ein schwankendes Parkett bewegen. Ich schaue derweil in den Himmel. Eine Wolke zieht ostwärts.
Es ist später Nachmittag, der letzte einer unerwarteten Auszeit. Sechs Wochen, in denen Eltern und Kinder lernen mussten, sich wieder gemeinsam in einem Haushalt einzurichten.
Es ist uns gelungen, und es ist gut so gewesen.
Aber nicht einfach.

Heute fährt mein Sohn mit seiner Freundin wieder zurück. Seine Firma braucht ihn vor Ort.
Trotz Homeoffice.
Die Wolke verschwindet allmählich hinter dem Haus. Ein paar Meisen brechen einen Streit vom Zaun. Ansonsten hört man nur das trockene Klacken der Tasten. Taktaktaktaktak.
Dieses Geräusch webt ein Band, das uns verbindet, es herrscht eine wortlose Übereinkunft zwischen uns für die Dauer einer vorüberziehenden Wolke. Ohne dass wir es erwähnen, wissen wir beide davon.

Ein kleines Geschenk am Ende.

Ich bin dankbar für diese gemeinsamen so besonderen Wochen.
Nun beginnt etwas Neues.
Auch das gehört zur Corona-Zeit.
Wir bleiben nicht stehen. Wir sind nicht gelähmt.

Es geht weiter.

Eine Einladung, die keine ist.

Jeden Sontag läuten ab zehn vor zehn die Kirchenglocken.
Zehn Minuten Normalität, in denen ich mir überlegen kann, ob ich zum Gottesdienst gehe oder nicht, ehe mir wieder einfällt, dass ich doch gar keine Wahl habe. Ich kann mich zwar auf den Weg machen, aber der führt nicht weiter als bis zum Kirchenportal, wo mich dann ein Pastor oder eine Pastorin mit tröstenden Worten wieder nach Hause schickt.

Ich weiß, warum die Glocken läuten. Nur bin ich mir inzwischen nicht mehr sicher, ob das eine kluge Idee ist.
Die Kirchen sind geschlossen. Trotzdem bleiben die Glocken sonntags nicht stumm. Doch so verkündet das sonntägliche Geläut nur von der gegenwärtigen Ohnmacht. Ihre Einladung verrauscht ins  Leere.

Auch das ist eine Botschaft. Keine Gute. Sie täuscht eine Möglichkeit  vor, die sich es momentan nicht einlösen lässt.

Ich fände es besser, alle Kirchen würden mitten in der Woche zu einer bestimmten Zeit einen „Glockenaufschrei“  veranstalten – als Erinnerung an ihre Machtlosigkeit (da sind sie ganz nah an dem, den sie verkündigen), aber auch als Zeichen, dass unser Glaube weiterhin etwas zu sagen hat.

Wir können verlieren, doch wir gehen nicht verloren.

Nicht systemrelevant

Jetzt in der Krise sind Berufe in den Blick geraten, die vorher quasi unsichtbar waren. Sie werden als „systemrelevant“ bezeichnet.  
Und wir?
Kleinere Geschäfte sind wieder geöffnet, die Innenstädte füllen sich als gäb’s kein Morgen mehr.   
Die Kirchen sind weiterhin geschlossen, die Gemeindehäuser dicht, die Jugendarbeit in virtuelle Gebiete verlagert.

Wir sind nicht systemrelevant.

So wenig wie Musiker, Poetinnen, Schriftsteller, Malerinnen, Tänzer, Schauspielerinnen.
Wir sind also in bester Gesellschaft, und wir sollten stolz darauf sein.
Das Heer der Nutzlosen, Unwichtigen, die man gerade nicht braucht, die man für entbehrlich hält.
Betrachtet es als eine Auszeichnung, nicht als Makel.
Lasst den „Unsichtbaren“ jetzt den Vortritt. Ihr Einsatz hilft wirklich. Dafür können wir nur dankbar sein. Auch für ihren Mut.

„Aber der Mensch lebt nicht vom Brot allein.“ (Mt. 4,4)

Es gibt einen Bereich in uns, der dem Nützlichen, Brauchbaren nicht zugänglich ist.
Dort ist der „Ort“ aller Kunst und allen Glaubens. Das erst macht uns zu Menschen.   

Es gibt eine schöne Kindergeschichte, die das wunderbar verdeutlicht: „Frederick“.
Die Feldmaus Frederick  lebt mit Familie in einer Steinmauer. Als der Herbst naht, beginnen die Mäuse Vorräte anzulegen. Alle rackern sich ab, bis auf Frederick. Er sitzt auf einem Stein herum und tut scheinbar nichts. Er hat sich auf die Seite der Nutzlosen geschlagen. Das gefällt den anderen  nicht. So fragen sie ihn immer wieder, warum er nicht mithilft. „Tu ich doch,“ sagt der. Aber eben auf andere Weise.
Als es Winter wird, dunkel, eisig und grau,  als die Vorräte schwinden, packt Frederick seine Schätze aus: hoffnungsvolle Worte, Erinnerungen an Sonnenstrahlen und viele Farben, die den Alltag verzaubern. So kommen die Mäuse gemeinsam durch den Winter.

Es wird recht bald wieder eine Zeit geben, in dem man nach all dem verlangt. Nach Musik, nach Literatur, Theater, Tanz, Malerei und einem vitalen Glauben, der sich nicht Formeln erschöpft.
Bleibt gelassen.

Wir sind lebensrelevant.

Maskenpflicht

Gegenwärtig kursieren hinsichtlich Corona die verschiedensten Verschwörungstheorien im Netz, die man alle als „trumpdoof “ abtun kann und nicht weiter ernst nehmen sollte.

Doch nun hat der Schwager eines Bekannten einer Bekannten, die ich ziemlich flüchtig kenne, mir die Augen geöffnet mit seinem Wissen. Seine geheimen Quellen stammen aus dem Netz, eine aus Tschetschenien, eine aus Rio de Janeiro und eine weitere aus Düsseldorf. Wertet man diese drei Quellen aus, fügt sich ein erschreckendes Bild zusammen:

Corona wurde bewusst in die Welt gesetzt.

Seit Jahren schon haben sie an einem perfiden Plan zur Eroberung der Welt gearbeitet. Nun sind sie ihrem Ziel ein großes Stück näher gekommen. „Sie“!

Seit heute herrscht in allen 16 Bundesländern unseres Landes die Maskenpflicht, sogar in Niedersachsen, das sich am längsten dagegen gewehrt hat. Vergebens!
Von nun an sind wir genötigt, in Geschäften, Bussen und Bahnen eine Maske zu tragen. Sicher wird das demnächst auf sämtliche  öffentlichen Plätze ausgeweitet.

Mit dem heutigen Erlass allerdings hat sich diese Untergrundgruppe selbst entlarvt (um nicht zu schreiben: demaskiert). Ja, wer Masken fordert, hat auch ein besonderes Verhältnis zu ihnen. Es sind die Faschingsgesellschaften dieser Welt, die uns mit ihrer Maskenmanie überrumpeln wollen.
Wo bleibt der Aufschrei? Was sollen wir uns von diesen Faschingsterroristen noch alles bieten lassen?
Tusch und schlechte Witze? Narrenkappen? Rosenmontag alle Tage?

Unterschätzt das nicht! Von Karneval ist es nicht weit bis Kannibal, und Fascho und Fasching liegen auch dicht beieinander.

Die geheimen Quellen verraten Erschütterndes: Nächste Woche kommt der Lachzwang! Dann wird Kamellenwerfen vorgeschrieben. Und zuletzt müssen wir alle Kostüme tragen und dürfen nur noch auf Faschingswagen in die Stadt.

Aber jetzt herrscht erst einmal die Maskenpflicht.
Ich weiß noch nicht, welche Maske ich mir aussuchen werde.
Ralf Merkel und Angelika Meister eher nicht.
Ich denke, ich handle lieber gleich vorausschauend und werde als Spiderman nach draußen gehen. Außerdem dürfte das viel mehr Interessierte in meinen nächsten Streaming-Gottesdienst locken.
Was für ein Bild: Spidy auf der Kanzel!
In diesem Sinne! Helau und Alaaf!  

Videogruß aus dem Laju

Mein ganz besonderer Händedruck

Auf meinem Balkon:  Zu meinen besonders schönen Erfahrungen der letzten Wochen gehören die Momente, in denen uns das Eichhörnchen zum Frühstück besucht. Es klettert auf den Balkon und guckt erwartungsvoll durch die Tür in die Küche. Ob es wohl noch Nüsse gibt? Am liebsten nimmt es Walnüsse. Und die nimmt es manchmal aus meiner Hand. für einem kurzen Moment berühren seine Vorderpfoten meine Finger, wenn es ganz vorsichtig die Nuss aus meiner Hand nimmt. Das berührt mich – im wahrsten Sinne des Wortes.
Diesen kleine Freude am Morgen genieße ich. Ich kann mir die Zeit dafür nehmen, bin zuhause. Das ist anders in diesen Wochen. Manchmal ist das auch  schön.
Cornelia Dassler

Plan B

Aus der Jugendforschung wissen wir, dass Jugendliche  gegenwärtig mehr als nur einen Plan im Kopf haben. #Immerandersweiter  heißt der Bericht der aej über die derzeitige Lage von Jugendlichen.

Wir können von ihnen lernen.

Vieles, was für die nächsten Monate geplant ist, wird nicht stattfinden können. Auch wenn manche noch hoffen, wäre es klug, für diese Zeit einen Plan B zu entwerfen. Vielleicht brauchen wir ihn am Ende nicht. Vermutlich aber doch.

Sich etwas Neues ausdenken ist ein guter Weg aus der Lähmung. Das Beste machen aus dem, was möglich ist. Trauern, ohne in Depressionen zu versacken. Sich mit anderen zusammenschließen, gemeinsam herumspinnen, Ideen teilen. Gerne auch auf dieser Seite.

Plan B muss nicht die Notausgabe von Plan A sein, der mickrig pickelige Bruder, der immer nur in der Ecke steht und mit dem man höchstens aus Mitleid redet.

Der amerikanische Musiker Bill Withers hat sein Lied Lean On Me einst auf die B-Seite einer Single gepackt. Es hat  nicht verhindert, dass ein Jahrhundertsong daraus geworden ist.

Zeit für einen neuen Plan! Und B steht für beachtlich, bedenkenswert, bewunderungswürdig, begeisternd, beindruckend, beflügelnd…

Wieder Leben in der City

„Wieder Leben in der City“, lese ich und wundere mich. Im Vordergrund des Fotos sieht man nur vereinzelte Passanten, aber je weiter der Blick Richtung Bildtiefe wandert, desto dichter rücken die Leute zusammen. Als wäre nie etwas gewesen.

Vermutlich wünschen sich das viele. Dass es wieder so wird, wie es „immer“ war (aber wann war denn eigentlich „immer“?) und diese ganze Virengeschichte nur ein schlechter Traum.

Aufwachen, bitte! Die Realität wird nicht bunter, wenn man die Augen verschließt.

Die Lösung wird nicht auf ein Leben ohne Corona hinauslaufen, sondern für längere Zeit auf ein Leben mit dem Virus.

Es ist ein bißchen so wie in den Wäldern Kanadas. Dort gibt es Bären, Wölfe, Pumas, Elche, Kojoten, lauter Tiere, denen man nicht unbedingt begegnen möchte. Niemand dort macht deshalb großen Wirbel oder traut sich nicht ins Grüne. Man hält sich an bestimmte Regeln, ist aufmerksam, und damit hat sichs.

Ja, wir werden Abstand halten müssen und auf Einiges verzichten. Vielleicht erkennen wir dabei auch, dass nicht jedes Bedürfnis essentiell war und wir uns manches schenken können. Vielleicht fällt es uns dann leichter, unsere Gesellschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit zu steuern. Der Klimawandel lässt uns ohnehin keine Wahl. Wir können nicht so weitermachen wie bisher.  Und wenn doch, wird Corona unser geringstes Problem sein.

Also fangen wir lieber jetzt damit an, es anders zu machen- und vor allem: besser.

Nicht nur für einen Sonntag

Der Abend versackt in einer trüben Schattenflut. Am Himmel wehrt sich das letzte Licht des Tages. Die Dunkelheit übernimmt und lässt Vertrautes ungewöhnlich aussehen. Die Vögel sind verstummt. Der Wind ist eingeschlafen. Die Venus leuchtet. Hell und weithin sichtbar.

In Krisen zerbricht uns die Welt, wie wir sie kannten. Wir erschrecken vor ihrer Fremdheit, davor, dass sie sich so vollkommen anders zeigt.
In Krisen wird unser „Visum“ eingezogen.  Die Gewissheiten werden brüchig. Wir müssen uns das Leben neu erobern, um wieder einen Platz zu finden, an dem wir uns (einigermaßen) sicher fühlen.

Wie kann das gehen?

Die Nachricht von Ostern ist mein Kompass, meine Venus, die mir auch im Finstern leuchtet. Vielleicht nur als ein winziger Punkt in aller Schwärze, aber unauslöschbar.

„Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten?“ (Lk. 24, 5)

Ostern dauert nicht nur einen Sonntag lang oder 50 Tage bis Pfingsten. Ostern ist heute und morgen und übermorgen. Ostern kann mir an jedem Tag aufgehen.

Auf den weggewälzten Fels könnte jemand geschrieben haben:
 Ändere Deinen Kurs. Was suchst du die Zuversicht in der Aussichtslosigkeit?

Überraschung

Meine Frau kommt ins Zimmer und fragt, ob ich eine S. kenne. Sie hat einen Brief in der Hand mit einer lustigen Adressierung. Name meiner Frau, darunter „ – für Wolfgang –„, dann folgt die Adresse.

Neugierig öffne ich den großen Umschlag, aus dem gleich zwei Briefe herauspurzeln. Einer wendet sich an meine Frau und erklärt, warum die Adresse so geschrieben worden ist. Der andere ist für mich und beginnt wie folgt: „Wie schön, dass Dich mein Brief erreicht hat.“

Mir geht das Herz auf!

Ein Brief ist keine Mail. Es ist nicht einfach nur der Inhalt, der von Bedeutung ist. Das Briefpapier z.B. oder die kleinen Zeichnungen am Rande. Und der Schwung der Schrift, so vieles, das mehr über die Person verrät als jeder Satz.
Ich bin berührt und denke ‚was für eine Überraschung!‘

Der Brief muss länger unterwegs gewesen sein, denn er erzählt (auch) von Ostern.
Vorn ist ein Altarbild aufgeklebt mit einem Zitat aus dem Matthäusevangelium:
„Er ist auferstanden!“ (Mt. 20,6b

Das kann einem auf vielerlei Weise gesagt werden,  aber kaum bewegender als durch einen Brief.

Ich nehme mir vor, nun selber jemanden zu überraschen.

Videogruß aus dem Laju

Regenbogen der Hoffnung

Miriam, Referentin für den VCP hat Regenbögen in ihrem Haus, gemalt, gebastelt und aufgestellt. Was es damit aufsich hat, erzählt sie in ihrem Gruß aus dem Homeoffice.